Montag, 3. Oktober 2016

Netzpolitischer Wochenrückblick KW 39: Oettinger verwirrt und BND vertuscht

Liebe Leserinnen und Leser,

wrst sorgen die Aussagen Oettingers für Kopfschmerzen und dann bringt der BND durch seine Vertuschung der NSA-Überwachung das Fass zum Überlaufen. Doch für ein wenig Aspirin sorgen der Datenschutzbeauftragte aus Hamburg und die Vereinten Nationen. Aber der Reihe nach.

Nächste Woche findet unsere dritte „Das ist Netzpolitik!"-Konferenz in Berlin statt. Am 7.10. bieten 32 Sprecherinnen und Sprecher mit Vorträgen und Workshops ein Update bei vielen aktuell relevanten Debatten der Netzpolitik. Und schauen dabei auch weiter nach vorne. Am Abend feiern wir dann unseren zwölften Geburtstag.

Oettinger sorgt für Verwirrung

Der EU-Kommissar Günther Oettinger konnte diese Woche wieder mit abstrusen Aussagen polarisieren. Auf dem Zeitungskongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger hat er die BDZV-Mitglieder aufgefordert, für ein europäisches Leistungsschutzrecht Stimmung zu machen. Gerade die Online-Redakteure seien noch nicht überzeugt und würden noch zu negativ berichten, so seine Aussage.

Auch in der Bundespressekonferenz sorgte Oettinger für Verwirrung, indem er auf Fragen antwortete, die keiner gestellt hatte. Wir wollten wissen, inwiefern Memes von der EU-Urheberrechtsreform betroffen sein würden. Er erzählte daraufhin etwas über Spotify und wie gut sie doch Künstler vergüten würden - achja? Um auf die Probleme der Reform aufmerksam zu machen, startete Mozilla eine Kampagne zur Legalisierung von Memes.

Als wäre das nicht genug, schoss Günther Oettinger sprichwörtlich den Twitter-Vogel ab. Auf die ironische Aussage des Journalisten Mario Sixtus auf Twitter zum Leistungsschutzrecht antwortete er: "Glauben Sie das tatsächlich?? Gehen Sie den vom Anreisser auf die Webseite der Zeitung?" Wir haben uns daraufhin mal die Quellen genauer angeschaut, mit denen er argumentiert. Und festgestellt, dass er sie offensichtlich nicht versteht oder einfach nur falsch interpretiert.

Was kann bei weitgehend unkontrollierten Geheimdiensten schon schief gehen?

Diese Woche wurde bekannt, dass sich in den Überwachungssystemen der Firma NetBotz Hintertüren für die NSA befinden. Ein solches System kommt auch am Frankfurter Flughafen zum Einsatz. Der BND wusste davon schon 2005, hielt es aber nicht für nötig die zuständige Behörde, das Bundesamt für Verfassungsschutz, zu informieren. Das ARD-Magazin "FAKT" ist durch einen geheimen BND-Bericht auf die Geschichte gestoßen.

Unter diesen Umständen ist es geradezu lachhaft, mithilfe der BND-Reform dem Geheimdienst mehr Befugnisse zu geben. Selbst bei der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages wurde das neue Gesetz von fast allen Sachverständigen kritisiert. Wir haben für euch noch einmal die wichtigsten Punkte zusammengefasst und waren auch auf der Demonstration gegen die Reform.

Als wäre das neue BND-Gesetz noch nicht genug, plant die Bundesregierung ein Gesetz, das EU-Staaten das Recht gibt, Abhörmaßnahmen in anderen EU-Ländern anzuordnen. Es ermöglicht unter anderem die Überwachung von Bank- oder sonstigen Finanzgeschäften, die Überwachung der Telekommunikation und den Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen. Das Gesetz soll die EU-Richtlinie zur Ermittlungsanordnung in Strafsachen umsetzen.

Apropos EU: Die EU-Kommission will Exporteure von Überwachungssoftware stärker regulieren. Firmen wie FinTech, Trovicor und Hacking Team müssen in Zukunft eine Lizenz beantragen, wenn sie Überwachungstechnik exportieren wollen. So soll verhindert werden, dass durch europäische Hersteller Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

Pardon Snowden

Diese Woche tagte wieder der NSA-Unterschungsausschuss. Geladen waren diesmal mehrere Sachbearbeiter des BND sowie Gabriele Löwnau, Referatsleiterin für die Nachrichtendienste des Bundes bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Thema diesmal waren die BND-Selektoren, die der deutsche Geheimdienst zur Überwachung genutzt hat. Die komplette Sitzung kann man wie gewohnt bei uns nachlesen.

In den USA gibt es gerade eine Debatte über die Begnadigung von Edward Snowden. Die Bürgerrechtsorganisationen Amnesty International, Human Rights Watch und die American Civil Liberties Union haben den Start ihrer Kampagne mit dem Namen "Pardon Snowden" nicht zufällig auf den Start des Films "Snowden" gelegt. Sie hoffen so, möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen, um US-Präsident Barack Obama unter Druck zu setzen.

Informationsfreiheit seit 1766

Am Mittwoch war Tag der Informationsfreiheit. Der Tag markiert ebenfalls das 250-jährige Jubiläum der Informationsfreiheit. Schweden hatte im Jahr 1766 als erstes Land der Welt ein Gesetz, dass Bürgern tiefere Einsicht in die Arbeit des Staates ermöglicht. Deutschland hat ein solches Informationsfreiheitsgesetz erst seit zehn Jahren. Und es ist noch ausbaufähig!

Hamburger Datenschutzbeauftragter will Whatsapp-Datenweitergabe stoppen

Die Ankündigung, dass Daten von WhatsApp nun auch an Facebook weitergeleitet werden sollen, hat für Furore gesorgt. Das diese Änderung der Geschäftsbedienungen gegen den deutschen Datenschutz verstößt hat nun der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar klargemacht. Mit einer Anordnung hat er diese Datenweitergabe zumindest bei deutschen Nutzern untersagt. Alle bereits übermittelten Daten müssen außerdem gelöscht werden. Das Unternehmen will das natürlich nicht tun. Fortsetzung folgt.

Datenmissbrauch durch Polizeibeamte in den USA

Laut einer Recherche der Nachrichtenagentur AP wurden zwischen den Jahren 2013 und 2015 325 Polizeibeamte wegen Datenmissbrauch suspendiert oder entlassen. Der Artikel zeigt, wie groß das Missbrauchpotenzial ist. Wie oft eine Datenbankanfrage illegal war, konnte leider nicht ermittelt werden. Protokollierung von Datenbankzugriffen oder Statistiken darüber könnten vor Missbrauch schützen.

(K)eine Zwischenbilanz der Hate-Speech-Taskforce

Das Bundesjustizministerium stellt eine Zwischenbilanz der Hate-Speech-Taskforce vor. Einen wirklichen Erfolg gab es aber nicht zu verkünden. Als Beispiel wurde gezeigt, wie jugenschutz.net 622 strafbare Inhalte bei den Social Media-Plattformen gemeldet hat. Und tatsächlich: Ein Großteil davon wurde gelöscht. Allerdings waren dafür drei verschiedene Methoden notwendig. Die normale Meldefunktion, eine E-Mail an eine besondere Adresse und ein privilegierter Zugang für Organisationen, um Inhalte zu melden. Bisher ungeklärt ist, wieviele der strafbaren Inhalte auch zu einer Anzeige und zu einem Prozess geführt haben.

Verschlüsselung für Journalisten findet auch die UN gut

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hält in einer Resolution fest, dass Verschlüsselung und Anonymität für die Arbeit von Journalisten wichtig ist. Ohne diese Voraussetzungen können Journalisten in der digitalen Welt nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen. Der Rat rief alle Staaten dazu auf, die Nutzung von Werkzeugen zur Beschneidung von Verschlüsselung und Anonymität zu unterlassen. Leider sind Resolutionen nur Empfehlungen für Mitgliedsstaaten und daher nicht verpflichtend.

Neue DRM-Firmware: HP rudert zurück

Im März dieses Jahres sorgte HP mit einer neuen Firmware für ihre Drucker für Ärger. Der Grund: Druckerpatronen von anderen Herstellern wurden nicht mehr akzeptiert. Vermutlich wegen des öffentlichen Drucks rudert HP nun zurück und will mit einem Update wieder die Nutzung anderer Druckerpatronen möglich machen.

Tipp fürs verlängerte Wochenende

Stiftung Warentest hat 15 Mailanbieter untersucht und bewertet. Wer plant, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, sollte einen Blick auf unseren Artikel werfen. Die gängigen Anbieter wie GMX, Web.de oder Gmail landeten wenn überhaupt nur im Mittelfeld.

In der ARD-Mediathek gibt es wieder "Das Leben der Anderen" zu sehen. Erst ab 20 Uhr, aber dafür bereits von unseren Gebührengeldern bezahlt.

Vielen Dank fürs Lesen. Wir wünschen einen entspannten Einheitstag und viel Sonne.

Viele Grüße

Eure netzpolitik.org - Redaktion

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